
Ein Abschied steht an und schon trennen sich unsere Wege wieder.
Anfang April lassen wir Griechenland hinter uns und durchqueren, begleitet von einer Regenfront, binnen zwei Tagen Bulgarien. Hier begegnen uns brütende Storchenpaare, Fasane und viele Straßenhunde. An den Hauptstraßen in den kleinen Dörfern, die bei uns zuhause Forstweg heißen würden, sitzen alte Omas mit Kopftuch und verkaufen Kartoffeln. Immer lächelnd und winkend.
Über die Donau geht es dann nach Rumänien. Bereits nach ein paar Kilometern begegnet uns eine Pferdekutsche auf der Autobahn, was bei uns als panische Radiodurchsage auf jedem Sender rauf und runter laufen würde.
Die Menschen hier sind alle freundlich und uns zugetan. Wir fahren in den Nationalpark Parcul Natural Bucegi auf knapp 2000m. Hier erwarten uns Schnee und Eiseskälte. Der ausgesuchte Schlafplatz ist nicht zu erreichen, da die Straße noch gesperrt ist. Vereinzelt laufen hier oben Hunde herum, die dem eisigen Wetter trotzen und alle eine Hand voll Futter von uns bekommen.


Auf den Spuren der Bären
Warum wir im Frühling hier hoch in die Wildnis fahren? Um einen Bären zu sehen. Von denen gibt es in Rumänien rund 5000 Stück. Zugegeben, es ist schon ein mulmiges Gefühl, so weit weg von der Zivilisation zu sein, mit dem Wissen, dass es hier nur so von Bären wimmelt, die alle hungrig aus dem Winterschlaf kommen und womöglich Jungtiere im Schlepptau haben. Am ersten Abend entfernen wir uns nur wenige Schritte von unserem Van.
Kurz nach 7 Uhr reisst mich ein Geklimper an Emils Napf aus dem Schlaf. Ein Bär? Leider nein, nur ein hungriger, großer Straßenhund. Nachdem er ein Frühstück von uns bekam, wich er uns nicht mehr von der Seite. Wir tauften ihn auf den Namen „Ätzus“. Die Morgenstimmung war atemberaubend, still, friedlich, im weissen Kleid des Schnees. Mit leichter Aufregung traten wir zum Morgenspaziergang an. Die Sinne sind scharf und die Kamera im Anschlag. Außer ein paar Spuren im Schnee, begegnete uns an diesem Morgen kein wildes Tier.




Es sind oft die Tierbegegnungen, die bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen. Und es sind die Momente im Leben, bei denen ich mich am lebendigsten fühle. So erinnere ich mich zum Beispiel intensiv daran, wie ich in Thailand mit Haien schwamm und in Schweden einem Elchbullen im Wald begegnete.
Nachdem wir mitbekamen, dass in Italien ein junger Mann beim Joggen von einem Bären getötet wurde, bin ich verunsichert, ob ich tatsächlich noch einen treffen möchte. Es tut einem unendlich leid für so ein junges Leben, dass jäh ein Ende findet.
Ich erinnere mich an den Kampf in „the revenant“, als Hugh Glass zwischen eine Bären Mutter und ihre Jungtiere gerät. So etwas wünscht man Niemandem. Ich stelle mir jedoch fragen: Hatte er keine Glöckchen an den Schuhen? Wusste er dass es Bärengebiet war? Blieb er stehen und sprach mit gesenktem Kopf auf den Bären ein? Hatte er kein Bärenspray dabei? Wäre es nicht möglich gewesen diese Tragödie zu verhindern?
Meistens liegt es an Fehleinschätzung und dem falschen verhalten der Menschen, wenn solche Unfälle passieren. Wir haben verlernt die Sprache der Natur zu verstehen und zu sprechen. Haftpflicht, Hausrat, der Mensch versichert sich gegen alles und will alles kontrollieren. Die Natur und das Leben sind jedoch unvorhersehbar und manchmal erbarmungslos. Statt Forstwirtschaft zu betreiben und die Bestände durch Jagd zu regulieren, sollten wir beginnen wieder ein tieferer Teil der Natur zu werden.


In St. Gheorghe besuchen wir Verwandte von Fanny. Zwei herzallerliebste Menschen. Zu Mittag gibt es jede Menge Essen und drei Sorten Schnaps. Der Onkel hat mit seinen fast 85 Jahren einiges zu erzählen. Fanny fungiert als Dolmetscherin da mein Ungarisch gerade mal 4 Wörter beträgt. Obwohl ich kein Wort verstehe lausche ich ihm gebannt. Er erzählt von seiner Vergangenheit als Jäger. Von den Begegnungen mit Bären, Füchsen und sogar einem Wolf.
Wir meldeten uns für eine Bear-Watching Tour an. In der kleinen Holzhütte im Wald sind noch vier Ungarn. Nach ein paar Minuten beginnen die anderen zu tuscheln, kichern und packen Kekse aus. An diesem Abend erhaschten wir nur zu beginn einen kurzen Blick auf einen Bären. Da ich aber auf ein massives 400 Kg Männchen wartete, ging ich am nächsten Abend nochmals hin. Mit dabei diesmal: eine Griechische Familie mit zwei Kindern. Auf dem Weg zur Hütte schaffen sie es nicht, sich lautlos zu bewegen. Die Plastikjacken sind laut und die Kinder tippeln unruhig auf dem Boden rum. Sie verhalten sich als wären sie im Zoo. Ich spreche sie nach einer Weile mit „hey guys“ an. Alle schauen mich an, wie ein Reh im Scheinwerferlicht, nicht wissend, was sie falsch machen. „Be quiet.“. Tatsächlich bessert sich der Lärmpegel. Ich frage mich, ob sie jemals in der Natur waren. Ich beobachte Vögel und sehe Eichhörnchen, die Familie bekommt von alldem glaube ich nichts mit.
Als ich die Hoffnung fast aufgebe und es langsam Zeit wird zurück zu gehen, stapft ein Jungbär aus dem Wald. Mit seinen zarten 140 Kg ist er wohl ca. 5 Jahre alt. Dafür, dass er das größte Landraubtier der Erde ist wirkt er nervös. Mit ein paar mehr oder weniger guten Aufnahmen fahren wir weiter zum Stellplatz. Auf dem Weg dorthin entdecke ich einen kleinen Bären. Er stellt sich auf die Hinterbeine und sucht wohl seine Mutter. Die ist aber nirgends zu sehen. Mein Herz schlägt schneller vor Freude über dieses unerwartete Ereignis. Ich hoffe es war nicht der letzte Bär, den ich zu Gesicht bekommen werde.
Abschließend glaube ich, dass der Mensch bei angemessenem Verhalten nichts zu befürchten hat. Ich wünschte, dass mehr Menschen den Bären sehen könnten wie ich, ohne Angst aber mit Respekt vor diesem majestätischem Tier, dass sich zu 90% sowieso nur vegetarisch ernährt. Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass mehr Menschen durch Hunde oder Kühe sterben, als durch Bären.

Lieber Jonathan, ihr habt beeindruckende Erlebnisse, mitten in wunderschöne Natur, die leider überall bedroht und zu beschützen ist.
Die Aufnahmen sind toll und der Emil ist richtig fotogen, anpassungsfähig in jeder Kulisse .