Über Grenzen hinweg

An einem lauen Herbstabend in Portugal saßen wir bei Kerzenschein an unserem kleinen Campingtisch und begannen über unsere Reise und den Grenzen die uns bisher begegneten zu philosophieren. Unsere beiden Gedankenwelten habe ich für euch zusammengefasst aufgeschrieben. Sie sollen euch einen kleinen Einblick in unser abendliches Gespräch geben:

Grenzen sind allgegenwärtig – auf Karten und in unseren Köpfen. Geologische, intellektuelle, emotionale, körperliche und physikalische Grenzen. Ohne Grenzen würde die Welt eine andere sein. In drei Monaten überquerten wir bisher acht Ländergrenzen. Acht mal eine von Menschen erschaffene Linie, die eine völlig neue Kultur und Sprache mit sich bringt. Schweden, Norwegen, Dänemark, Niederlande, Deutschland, Frankreich, Spanien und nun Portugal. Ein kleines Schild am Wegesrand und wir befinden uns in einem anderen Land.

In meiner Kindheit verbrachten wir jeden Sommer bei meinen Großeltern in Ungarn und anschließend bei meiner Großmutter in Rumänien. Kurz vor der Grenze verbreitete sich im Auto eine gewisse Anspannung. Die Pässe wurden zügig gesammelt und die Fenster heruntergekurbelt. Die warme Sommerluft schlug mir entgegen und mein Bauch kribbelte vor Aufregung. Zwei unruhige Kinder auf der Rückbank. Die Autos reihten sich manchmal bereits Kilometer vor dem Grenzposten. Wir fuhren vor, zwei Polizisten nahmen unsere Pässe entgegen und blätterten sie betont langsam und äußerst sorgfältig durch. Ein kritischer Blick auf die Rückbank, ein Nicken und wir wurden durch gewunken. Die Anspannung viel von uns allen ab und ein erleichtertes Lachen machte sich breit. Wir hatten die Grenze überquert ohne das gesamte Hab und Gut, dass in jeder noch so kleine Ritze unseres alten Mercedes steckte, auf dem Parkplatz ausbreiten zu müssen.

Die Welt verändert sich und so tun es auch die von uns auferlegten Grenzen.

Meine persönlichen Grenzen musste ich erst einmal erfahren, bevor ich sie überhaupt nennen konnte. Ja bevor ich überhaupt wusste wie vielfältig und unterschiedlich sie sein können. Diese Grenzen werden das ganze Leben hinweg neu definiert. Es liegt an mir sie zu kommunizieren und an meinem Gegenüber sie nicht zu überschreiten und gegebenenfalls in Erfahrung zu bringen.

In den letzen Monaten erlebten wir wie unterschiedlich wir als Individuen in einer Partnerschaft auf Situationen reagieren.

Am Abend vor unserer Überfahrt von Frankreich nach Spanien kamen wir im dunkeln an einem abschüssigen Parkplatz unweit der spanischen Grenze an. Der letzte Außenposten Frankreichs sozusagen. Das grelle Licht der Straßenlaternen erhellte den zwielichtigen Parkplatz auf dem immer noch reger Verkehr herrschte. Die meisten Gesprächsfetzen die wir erhaschten wurden bereits auf spanisch gesprochen. Jonathan unternahm einen kurzen Ausflug an den Strand, welcher jedoch jäh zu seinem Ende kam. Auf dem Weg zum Strand drückten sich in der Dunkelheit vereinzelt Kapuzen tragende Gestalten herum. Er kam mit einem unguten Gefühl zurück. Ich fühlte mich bereits seit wir an dem Parkplatz ankamen unwohl und traute mich kaum aus dem Van, zog alle Rolladen runter und schloss alle Türen ab, was wir zuvor noch nie getan hatten. Der Parkplatz vor der Grenze ist ein Drogenumschlagplatz. Dubiose Gestalten saßen stundenlang alleine im Auto und schienen auf irgendetwas zu warten. Vermutlich ihrem Dealer. Während ich in dieser Situation an meinen emotionalen Grenzen kratzte war der Abend für Jonathan aus einem ganz anderem Grund unerträglich. Seine Mutter würde sagen es lag an seiner Pitta-Störung. Kurz gesagt hat er ein ziemliches Problem damit Hitze zu ertragen. Besser gesagt ist sie für ihn unerträglich und bringt ihn an seine körperlichen, aber auch emotionalen Grenzen. Hinzu kam außerdem noch, dass wir die ganze Nacht über von Stechmücken geplagt wurden. Was uns beide durchhalten ließ war die Gewissheit, dass auch diese Nacht ein Ende haben würde.

Uns wurde klar, dass jede:r in völlig unterschiedlichen Momenten an seine Grenzen kommt. Körperlich oder emotional. Wobei unser Körper meist noch 40% Kraftreserven hat, sobald wir das Gefühl haben am Ende zu sein. Hier geht es vor allem um die mentale Stärke die uns oft fehlt.

Auch beim Reisen haben Grenzen eine großen Bedeutung. Aus Respekt sollte man in jedem Land die kulturell und gesellschaftlich auferlegten Grenzen respektieren. Grenzen und Respekt gehen sowieso ziemlich oft miteinander einher. Vor allem beim Freistehen mit dem Camper Van ist es mir persönlich wichtig, nicht einfach in den Lebensraum anderer einzudringen, sondern den Einheimischen ihren Raum zu lassen.

Alles hat seine Grenzen. Das Wachstum der Pflanzen, oder wie lange man die Luft an-, oder eine Situation aushält. Aber nur durch Grenzerfahrungen wächst man über sich selbst hinaus. Grenzen sind also da um ihnen zu begegnen. Auf unserer Reise begegneten wir bisher Grenzen verschiedenster Natur. Wie so oft hilft es mir auch bei diesem Thema offen und ehrlich mit den Menschen das Gespräch zu suchen.

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