Eine Geschichte übers Angeln

Vom Fischfang zum Serienmörder

Was gibt es zu sagen, was nicht irgendwann schon einmal gesagt wurde. In einer Welt in der zu viel geredet und zu wenig gedacht wird.

Ich sitze hier in meinem Campingstuhl, nicht wissend was ich in den Blogpost schreiben könnte, um den mich Fanny gebeten hat. Gedankenfetzen schwirren umher, wie die schnell vorüber ziehenden Wolken, die ich von meinem Platz aus beobachten kann. Der Tarn Fluss ist zu hören. Fanny sitzt in aller Ruhe da und zeichnet im Sonnenlicht, das ihr Blatt erhellt. Vögel zwitschern und Emil liegt der Natur lauschend im Gras.

Warum fällt es mir so schwer ein paar Zeilen aufs Papier zu bringen? Nahm mir die Grundschulerfahrung, bei der ich mein Diktat mit dem Vermerk „Note 6 – üb weiter.“ zurück bekam die Freude daran, oder waren es die zahllosen Korrekturstriche eines Aufsatzes der fast mehr Rot als Tinte enthielt? Ohne Zweifel war beides sicherlich nicht förderlich. Auch die Freude am Lesen kam erst recht spät und strengt mich heute noch an.

Ich kann mich erinnern, dass ich selbst in der Zeit meiner zweiten Ausbildung ins Schwitzen kam, sobald man reihum einen Text vorlesen musste. Nicht immer ging meine Strategie auf, die Textblöcke abzuzählen und meinen vermeintlichen Textabschnitt, den ich lesen sollte schon ein paar mal zu überfliegen, damit ich ja nicht ins Stottern geriet. Aber über das fehlerhafte Schulsystem will ich hier nicht schreiben – darüber diskutiere ich sowieso am liebsten mit meiner Schwester, die Lehrerin ist.

Hier und heute will ich von der Anziehungskraft der animalischen Jagd erzählen. Die Natur deckt ihren Tisch für alle gleich, aber um die ungleiche Verteilung, oder den moralischen Aspekt über den zweifellos jeder nachdenken sollte der Tiere isst, soll es hier auch nicht gehen. Im folgenden erzähle ich von meinen Erfahrungen mit dem Angeln, dass mich seit Kindertagen fasziniert und meinen damit verbundenen Gefühlen.

Wenn ich an das Angeln denke, kommt mir unweigerlich der Gedanke von Meditation in den Sinn. Man tut ja eigentlich nichts in dem Moment, man ist nur eins mit der Natur und wartet. Die Sinne sind in diesem Moment stärker ausgeprägt, oder besser gesagt nimmt man sie bewusster wahr.

Wenn ich angele fühle ich mich verbunden mit der Natur und schaffe es im Jetzt zu sein. Im Alltag fällt mir das oft schwerer. Der Blick ist oft in die Vergangenheit, oder Zukunft gerichtet und das Leben scheint vorbei zu ziehen, ohne wirklich wahrgenommen zu werden. Es misst sich wohl nicht an Zeit, sondern eher an den Erlebnissen, die man hat und an die man sich erinnert. Und ich erinnere mich gut an den Tag an dem ich meinen ersten Fisch gefangen, getötet und gegessen habe. Bis dato dachte ich, mir schmeckt kein Fisch, aber dieser tat es. Er schmeckt lecker, nach Leben und Freiheit. Nicht zu vergleichen mit dem stinkenden Fisch, dessen tote Augen einen aus dem Eis hinter der Theke anzustarren scheinen.

An dieser Stelle nun ein Auszug aus meinem Reisetagebuch vom 20.08.22: „So fuhren wir weiter, immer weiter Richtung Norden. Wir kamen an einen kleinen See, der auf uns zu warten schien. Niemand außer uns war hier. Die Schönheit der Natur, die Stille, die Landschaft und die Geräusche trieben mir Freudentränen in die Augen. Am Abend, als die Sonne langsam hinter den Wäldern unterging, fuhr ich mit Fanny und unserem Kanu über den See – wir angelten. Ich fing eine wunderschöne Forelle, das Adrenalin schoss mir in die Adern. Es war klar, dass ich sie töten und essen will/muss. Es kostete einige Überwindung, aber damit das Tier nicht unnötig leidet muss alles schnell gehen. Ein Schlag mit dem Holzstück auf den Kopf der Forelle zur Betäubung, dann der Stich ins Herz, mit dem scharfen Messer, dass durch das Tier glitt wie durch Butter. Meine Hände zittern überwältigt von den Geschehnissen. Fanny hat Tränen in den Augen und wir bedanken uns bei dem Tier. Wir machten den Fisch in der Nacht über dem Lagerfeuer, dazu Musik und ein Wein, den wir uns bis dahin aufgehoben hatten. Ein perfekter Augenblick, wie aus meiner Vorstellung.“

Ein paar Tage später folgte ein weiterer Eintrag, den ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte. Zu dieser Zeit waren wir am Nord-Polarmeer unterwegs und fast auf den Lofoten.

26.08.22: „… in der Nähe von Arsteinen waren Fanny und ich Angeln. Emil musste im Van bleiben, weil die Stechmücken überhand nahmen. Wir angelten von einem kleinen Felsvorsprung aus. Fanny fing als erste eine schöne Makrele und mit zunehmender Dunkelheit fingen wir immer mehr Fische, die immer noch größer wurden. Wir mussten dann aufhören, weil niemand so viel Fisch hätte essen können. Das Ausnehmen war eine Tortur. Unschöne Angelegenheit und geht bestimmt auch besser. Aber für uns unerfahrene Angler mit dem kleinen Messer nicht besser lösbar. Der Anblick, der Geruch der toten Tiere war so einprägsam, dass einem jegliche Lust auf Fisch verging. Nun denn, wir fielen völlig erschöpft um halb eins in der Nacht ins Bett…“

Seit jener Nacht fingen wir keinen weiteren Fisch, geschweige denn aßen wir einen.

Wie ich das mit dem Angeln in Zukunft handhaben will, weiß ich noch nicht. Das Schlachtfest am Nordmeer hat mir erstmal gereicht. Gedärme rausholen, Köpfe abschneiden, filetieren und entschuppen macht halt nicht wirklich Spaß. Krass ist aber, wie schnell man sich daran „gewöhnt“ ein Lebewesen zu töten. Mit jedem Fisch den ich fing, fiel mir das Töten leichter. Das ist bedenklich und sinnbildlich für die Menschheit zugleich. Ich sollte versuchen die anderen Naturerlebnisse zu forcieren, die mir mehr geben als das Angeln.

Am selben See an dem ich die Forelle fing, konnte ich eine Kreuzotter beobachten und mein Zeitgefühl war dahin. Ob es zwei Minuten oder 15 waren vermag ich nicht zu beurteilen. Ich saß dem Tier gegenüber, die Zunge schnellte immer wieder heraus und nahm Witterung auf. Die Augen faszinierend wie ein Drachen im Märchen. Mit Schuppen bestückt und Bewegungen aus einem Guss. Ein beeindruckendes Lebewesen durch und durch. Während ich hier sitze und über die Schlange nachdenke frage ich mich, warum sie eine so negative Rolle in der Bibel zugesprochen bekommt. Im Garten Eden steht sie für die Versuchung des Bösen, List, Heimtücke und Verschlagenheit. Ich denke, natürlich auch durch die Tödlichkeit des Gifts, sind Schlangen heute negativ behaftet. Es ist schade, dass sie selten als das wahrgenommen werden, was sie sind. Schlangen – faszinierende Geschöpfe der Natur, mit herausragend entwickelten Sinnen, die wir uns kaum vorstellen können. Gerne würde ich die Welt einmal durch ihre Wahrnehmung betrachten. Mit infrarot Blick und Geruchssinn über die Zunge. Verrückte Vorstellung. Bei den alten Griechen galt die Schlange übrigens als Beschützerin der Unterwelt und symbolisierte die Verbindung mit der Erde.

Doch nun genug von Schlangen. Ich berichte lieber noch von meiner Erfahrung mit einem wilden Fuchs. Vor ein paar Jahren begegnete er mir in den Bergen. Er hatte einen gebrochenen Vorderlauf. Über Stunden hinweg gewann ich sein Vertrauen, bis ich ihn schließlich aus der Hand füttern und in seine dunklen, wilden Augen schauen konnte. Die Zeit des Anfreundens vergingen wie im Flug. Das sind Erlebnisse bei denen ich mich zutiefst verbunden mit der Natur und im Augenblick verhaftet fühle.

Ganz anders dagegen sahen meine Erfahrungen in der „zivilisierten“ Welt aus. Ich denke die Menschen haben vergessen wo sie herkommen. Sie leben ja erst seit rund zehntausend Jahren in Städten (in Deutschland seit 2000 Jahren). Ein Witz, im vergleich zu 300.000 Jahren Vorgeschichte des Homo Sapiens, der nun versucht  sich mit Zimmerpflanzen und Hunden ein Stück Natur ins konsumgesteuerte Wohnzimmer zu holen. Aber wer kennt es nicht – man verfällt dem Konsum und den Annehmlichkeiten wie „dem einen Ring“ aus der Herr der Ringe, der von einem Besitz ergreift und uns ins Dunkle treibt. Um mich dieser Analogie zu bedienen könnte man sagen, das Dunkle ist der Mensch der nichtmehr nachdenkt, gesteuert von Routinen, Alltag, Bequemlichkeit und der Gier nach Geld. Und dennoch hält er sich für die Krönung der Schöpfung und besitzt dabei ein weniger gefaltetes Gehirn als ein Delfin. Der übrigens in komplexeren Sozialstrukturen lebt als wir. Er kann unseren Herzschlag hören und einen Fötus im Mutterleib einer Frau erkennen. Dagegen klingen unsere Fähigkeiten doch recht mager, oder?

Zurück aus der Wildnis Norwegens und Schwedens wagten wir uns nach Amsterdam. Der Fall war tief. Hektik, Lärm und unnatürlich Verhaltensweisen. Ich hatte sicherlich mehr Stresshormone im Blut als in all den Wochen des Reisen zuvor. Und doch war die Anziehung des Konsums unwiderstehlich. Einen Kaffee trinken, Gras und Zauberpilze kaufen (die gar nicht so zauberhaft waren), eine S-Bahn Fahrt in die falsche Richtung und am Ende des Tages völlig erledigt und genervt, mit weniger Budget als zuvor am Van ankommen.

Muss das sein? Kann man so leben und das ein Leben nennen? Ich denke diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Ich jedenfalls werde weiterhin abseits der Städte nach Abenteuern und Leben im Augenblick suchen.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Angela Tangermann

    Lieber Joni, liebe Fanny! Eure Eindrücke sind so zauberhaft geschrieben, ich finde total gut was ihr macht und erleben dürft! Wünsche euch weiterhin eine wundervolle Zeit und Erlebnisse! Freu mich auf weitere Schilderungen eurer Reise! Ganz liebe Grüße von Angela

    1. Fanny

      Vielen lieben Dank, Angela! Wie schön, dass auch du unseren Blog verfolgst.